Vom Knutschen & Fummeln auf Kinosesseln

Damals, zu der Zeit, in der man erstmals auf der Suche nach dunklen Ecken war, nach irgendeinem Platz, an dem das Licht ausgeht und alles möglich wird, da war ich mit meinem ersten, richtigen Fastfreund im Kino.
Heimlich. Wie denn sonst? Das hätte ich im Leben zu Hause nicht erzählt, das fiel unter unheimlich großes, taschengeldgehortetes Geheimnis. Da fuhr ich mit meiner Freundin in die Stadt und war verabredet. Vor dem Tivoli. Mit zwei schlacksigen Coolnessanwärtern, mit denen wir alles möglich machen wollten. Alles!

Also Knutschen, ohne in die Peinlichkeit zu kommen, sich dabei anschauen zu müssen, und die Luft anhalten, wenn sich eine verwegene Hand möglicherweise unter den Pulli schiebt. Mission impossible!
Ich habe keine Ahnung mehr, welcher Film lief. Es war nicht mehr “Bernhard & Bianca” und noch weit entfernt von “Muttertag”, irgendwas dazwischen, mit FSK12-Freigabe für Milchgesichter.

Was ich aber genau weiß, ist, dass sich meine Freundin und ihr Auserwählter, bereits kurz nach der Werbung gegenseitig auffraßen, während sich der meine den Film ansah. Den Arm um meine Schulter gelegt, aber ansonsten völlig fixiert auf die Leinwand, von der ich tatächlich 90 Minuten lang nichts mitbekam, außer den 1000 Fragezeichen in meinem Kopf. Zu jung, zu dick, zu blöd, zu blass? Wie Mäuschen, immer tiefer in den roten Plüschsitz rutschend, im flauschigen Angorapulli, unter dem ich doch so gerne die Luft angehalten hätte.

Und kaum ging das Licht wieder an, beugte sich der jugendliche Held über mich, drückte mir einen festen Kuss ohne Zunge auf die Lippen und erzählte begeistert von den besten Szenen seines Films, der meiner nicht gewesen war.

Dass ich weder zu dick noch zu blöd war, hat sich in den kommenden Jahren dann glücklicherweise noch bewiesen. Andere Helden, andere Filme. Oh ja, es wurde geknutscht und gefummelt, und das war groß und wunderbar. Ganz nah am Himmel und so unheimlich atemlos und verwegen.
Später haben wir intellektuell im Programmkino analysiert, dann das Theater bevorzugt, schließlich wurden es die DVD´s auf dem allzu gemütlichen Sofa und noch viel später saß ich wieder bei “Bernhard & Bianca” und hatte eine aufgeregte, Popcorn-verklebte, kleine Hand in der meinen.

Und dann war es wieder an der Zeit. Um rauszugehen und eine dunkle Ecke zu suchen, in der alles möglich wird. Mir das Leben anzusehen. Es wieder zurückzuholen, wo immer es sich auch versteckt hatte, in der Zwischenzeit, in der ich so stiefmütterlich mit ihm umgegangen war.
Erst in die Spätvorstellungen um Mitternacht. Alleine. Selbst ist die Frau. Hauptsache hinaus vor die Tür. Und dann wieder eine davon öffnen und Menschen reinlassen, den ein oder anderen frischen Helden.

Heute ist das alles leicht, wenn das Licht ausgeht und der Eisverkäufer durch ist. Der Arm über die Schulter kommt unverkrampft und selbstverständlich. So wie eine Hand in die andere, Finger zwischen einander geschoben, manchmal sanft hochgenommen und geküsst.
Es wird wieder lang und intensiv geknutscht und lachend aus Übermut gefummelt. Ohne die Luft anzuhalten, und doch ein klein wenig atemlos. Weil es immer noch schön ist, wenn das Licht ausgeht und alles möglich wird.

Nocheinmal ein klein wenig 14 sein, die Freiheit in den Nischen suchen und Loge buchen. Und darin für einen Augenblick vergessen, dass ich bereits alles darf und alles kann und kenne.

Wobei… andere Helden, andere Filme.
Und vielleicht, nach langer Zeit, mal wieder einen flauschigen Angorapulli.

Candy Bukowski

5 Antworten auf “Vom Knutschen & Fummeln auf Kinosesseln”

  1. Absolut klasse Text. Super geschrieben. Man spürt das Gefühl, die Vergangenheit und sogar die Aura.
    Und das mit dem Kino gefällt mir echt gut- Allerdings hier in den Kino, jedenfalls den großen, ich glaube, das geht nicht mehr. Das war früher sicher noch irgendwie anders.

    Schöne Grüße

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  2. Der Film kommt mir irgendwie bekannt vor. Das waren damals noch Zeiten! Aber heute möchte ich nicht noch einmal 14 sein. Vielleicht 25 oder 35. Egal, kann es sowieso nicht ändern.
    Die Geschichte gefällt mir! Wirklich gut geschrieben!

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