Weil ich es kann. Und Du.

Ich muss Dir etwas beichten, sagst Du.
Und mir schiebt sich das gezackte Messer durchs Herz.
Weil ab diesem Satz eigentlich kein weiterer mehr notwendig, kein Wort ein unbekanntes wäre. Keines, das ich nicht bereits mitsprechen könnte,‘
aus der alten Geschichte von einsamen Nächten und trauriger Seele und all den Dingen, die man nicht sucht, aber die sich ergeben. Zu lange alleine und lange zu süchtig, nach Rettungsinseln, die im tiefen Wasser warten. Wie Du meinst. Und dabei das Seichte nie verlassen, wie Du weißt. Aber das macht sie auch nicht ungeschehen.

Ich muss Dir etwas beichten, sagst Du.
Und das Messer verströmt Hitze aus kaltem Stahl.
Weil Du nie lügen möchtest, nicht an mich, weil Wahrheit unser höchstes Sein sei und dann stockst Du, weil Du Dich selbst im Irrsinn ertappst, dass Wahrheit genau das tragen könnte, was sie stets verrät. Wo sie sich Wunden schlägt und Narben kritzelt, mit Bitte um Absolution. Um die es niemals geht, niemals gehen kann, weil der Mensch ein freies Tier ist, und ein Räuber noch dazu, und es daran nichts zu verzeihen gibt. Sondern nur zu tragen, oder eben nicht.

Ich muss Dir etwas beichten, sagst Du.
Und das Messer dreht sich tief in unverheilter Kluft.
Während meine Fragen so überflüssig sind, wie die Wahrheit, weil ich Dich besser kenne, als Du Dich selbst. Was nicht einmal etwas mit Durchschauen zu tun hat, sondern nur mit Sehen. Mit Hinsehen und Begreifen, mit Wahrnehmen und mir nicht selbst schönen, aber manchmal Dir, weil jeder seine Zeit braucht, für seine Wahrheit ohne die es wirklich niemals geht. Im Gegensatz zu der anderen, die verbündet mit Respekt eine treue Wort- und Sinngemeinschaft stiftet.

Ich muss Dir etwas beichten, sagst Du.
Und reichst mir das Messer aus Deiner Brust in die meine.
Im Wunsch, ich möge das noch warme Rot ablecken und Dir Blutschwester sein, neben all dem anderen, was ich Dir ungebrochen bin und bleiben möge. Wissend, was Du selbst nicht weißt, dass es um tausende Mal trotzdem geht. Um immer und immer wieder Trotz und dem, bis das Vertrauen endlich auch in Dir ankommen sein wird, Dir selbst und der Stille gegenüber, ohne die nichts gesundet. Auch kein Wir, kein Wunsch, kein Ziel an allem was uns treibt. Immer wieder trotzdem. Bis es vielleicht zu glauben ist und nicht zu prüfen.

Ich muss Dir etwas beichten, sagst Du.
Und ich nehme das Messer und lege es zur Seite.
Wissend, dass es noch tiefe Schnitte schneiden wird.
Über die ich Dich trage, mit blutenden Händen und angezähltem Sinn. Weil ich es kann und Du. Und weil ich Dich als den erleben will, der Du in Wahrheit bist. Wenn Du Dir traust. Und auch der Stille, die es auszuhalten gilt.
Doch beichten sollte ich Dir auch: dass mich nicht Dummheit treibt. Nicht naives Sein und Wankelmütigkeit. Mein Herz ist mir soweit vertraut, dass es bei allzu viel an ungeachtet Blut und Schmerz, ganz leise, still und ohne große Dramen, den eigenen Weg nach Hause geht.

Candy Bukowski

22 Antworten auf “Weil ich es kann. Und Du.”

  1. Das ist wohl die größte aller Lebenskünste. Vertrauen können. Die größte und simpelste. Das haben Sie wundervoll umschrieben. Man möchte unter Tränen lächeln…

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  2. Eben jenes Messer macht das Vertrauen so schwierig und doch lassen wir uns immer wieder darauf ein. Ich bereue es nicht.

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      1. Nun, man kann eine Couch in Plastik einpacken, damit man nicht sieht, wie sie benutzt wurde. Man kann sich selbst wegsperren, damit man keine Wunden erfährt. Aber warum lebte man dann überhaupt? Ich möchte mich immer wieder verlieben und wenn ich dabei doch das ein oder andere Messer in meinem Brustkorb entdecke, dann gehört das dazu, aber niemals werde ich mir eine eingepackte Couch ins Wohnzimmer stellen, außer Christo hat sie eingepackt, aber dann würde ich sie verkaufen und mit Freunden feiern gehen ;-)

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  3. Das Messer- wow. Es gab mal einen Polanski-Film mit diesem Titel, muss ich dran denken.
    Das Wichtigste ist immer wieder das „Trotzdem“……..

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    1. Ja, und dieses Trotzdem ist auch die Herausforderung, gerade für den Beichtenden. Denn fassen können, dass der Partner wohl mehr verzeihen kann, als womöglich ich mir selbst, ist schwer, obwohl es das Glück bedeuten würde, könnte man sich selbst denn so lieb sein, dass man die Beichte nicht mehr brauchen will.
      Wenn ein Schritt vorwärts einen Schritt auf dich zu bedeutet, bleibt man zusammen unterwegs. So verwirrend wie klar ist das – und so wunderbar beschreiben Sie es hier. Danke!

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  4. Wenn alle Fehltritte dieser Welt in allen Ehen so ähnlich beantwortet werden könnten, dann wäre es um die Menschheit gut bestellt.
    Vor Jahren habe ich es erlebt, dass ich eher an einen Unfall oder sonstiges geglaubt habe, wenn „ER“ mitten in der Nacht nicht erreichbar war. Bis auf einmal hatte ich mit meinem Vertrauen immer Recht – und das eine Mal haben wir auch verarbeitet.

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    1. Interessante Sicht. Dass Hingabe das verletzende Element schärft, erschliesst sich mir leider nicht wirklich. Und was meinst Du damit, ich „hätte gesucht“?

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  5. Sorry, da hab ich schludrig formuliert. Ich wollte eigentlich ausrücken, dass der Stein das Messer stumpf schleift – aber auch das jetzt hört sich paradox an: stumpf schleifen *seufz*

    „Gesucht“ war nur ein Eindruck aus deinem Text. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, als hättest du beim Schreiben eher in dich gelauscht … So ungefähr. Nur, wenn das stimmt, ist der Text nicht fertig ;-)

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  6. Hat dies auf du – mein Traum rebloggt und kommentierte:
    Candy Bukowski über Beichte, Vertrauen, Güte – und die Kunst, in all dem nicht leer zu werden. Bewegend. Tiefsinnig. Und gross. Aber alle Grösse kann nicht ausreichen, wenn die innere Haltung zu sich selbst nicht dazu führt, dass man rechtzeitig nicht mehr beichten muss. Damit meine ich nicht mal unbedingt, dass keine „Fehler“ mehr gemacht werden – aber dass sie keine Zweifel mehr schüren, kein Vertrauen (zer)stören können.

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