„Das wird Dein Jahr! Das beste überhaupt.“, hatte er damals kurz nach Mitternacht zu ihr gesagt. Als Gast an ihrem Tisch. Zu einem Zeitpunkt, als die Raketen langsam verrauchten, das Blei geschmolzen und bereits zu neuen Formen gefunden hatte. Die keinen Sinn ergaben, in denen sie aber dennoch trunken nach Vorzeichen suchten, mit ein wenig Spaß und ein wenig Ernst. Und weil man das eben so tut, etwas Einschmelzen um etwas Neues daraus zu gießen.
„Das wird Dein Jahr!“, hatte er damals gesagt.
Als ob er jemals selbst an irgendetwas anderes geglaubt hätte, als an das, was er selbst bestimmen, beherrschen, beeinflussen konnte.
Und sie hatte mit einem unsicheren Lachen abgewunken und gemeint, daß dies völlig unmöglich sei, von ausgerechnet diesem Jahr etwas besonderes zu erwarten. Die Eckdaten und Vorboten würden eine andere Sprache sprechen und es sei eben gerade keine gute Zeit, für gute Jahre.
Das hatte ihn geärgert.
Daß sie etwas klein machte, bevor es eine Größe entwickeln konnte.
Und auch weil er es gesagt hatte und sie ihm widerborstig war, im fehlenden Glauben an seine Worte.
Das hatte er ihr zugesagt, auf den Kopf und mitten zwischen die Herzwindungen und all die Angst vor den Vorboten, bis sie schließlich schluchzend vor ihm saß. Zwischen Fondueresten und leeren Flaschen und zwei Freunden, mit am Tisch, die gar nicht wussten, wohin mit sich und all dem Prosit Neujahr und diesem unbestellten Emotionsgewirr.
In ihre Tränen hatte er sich verliebt und in die Seele dahinter, sagte er ihr später. Einige Tage oder Wochen, nachdem sie es gemeinsam in Angriff genommen hatten, das neue Jahr mit all seinem Allerbesten. Auch sie, ja gerade sie, die nicht sofort daran glauben wollte und sich dann dennoch hineinwarf, weil es so leicht war, wie schon lange nicht mehr. Und weil es sich so gut anfühlte, das Beste zu erwarten.
Das erste Beste kam und war ganz wunderbar und ging.
Wie es manchmal eben so passieren kann, weil ja nirgendwo geschrieben steht, daß Bestes ewig bleibt und Alltagsdauer mag.
„Das wird Dein Jahr!“ hatte er zu ihr gesagt, auch als er ging.
Und sie glaubte heimlich weiter daran, weil es so viel dümmere Dinge zu glauben gibt, als solche, die nur auf Glauben begründet stehn.
Als das Beste ging, da kam ein Tief.
Wobei sie später nicht mehr sicher sagen konnte, ob nicht auch im Tief das Beste tief verankert war. Wie in einem Mittel gegen Schmerz, das ohne Schmerz nicht wirken könnte und Dank Entzündungshemmer auch dem Übel an die Wurzel geht und heilt. Etwas verzögert, nach und nach mit Zeit. Und dennoch etwas anders macht und wieder lachen und schmerzbefreit die Flügel auseinander falten lässt.
Das Tief war also gut.
Vielleicht sogar das Beste nach dem Besten und machte neuem Guten Platz.
Das dann auch kam, und immer besser wurde, vielleicht sogar ein Bestes, ohne daß sie Gutes messen wollte. Aneinander. Was ja gar nicht geht.
Das beste Gute blieb und dennoch tat sich daneben eine neue Tiefe auf.
An anderer Stelle, doch ein Loch in dessen Abgrund sie zu vielen Zeiten gar nicht schauen wollte. Und das da doch mit tiefem Schlund das eine oder andere verschlang und ihr ein Bodenmonster war. Neben dem Guten, das nicht immer einfach sein konnte. Weil nirgendwo geschrieben steht, daß das Gute immer einfach sei.
Und dennoch bot das Loch auch ein Treppe.
Mit Stufen, die sie ohne Abgrund nie erkannt, gebaut, betreten hätte. Die sich nach oben schlangen, aus dem Loch und neue Wege boten. Neben dem Guten, das sich mit der Treppe gut verband. Und mit ihr zu einem weiteren Besten wurde. Für eine Zeit lang. Oder viele. Das hatte sie gelernt, daß nichts gehalten werden konnte, was seine Zeit verlor und dennoch Bestes seien konnte.
Als das Jahr laut letztem Kalenderblatt zu Ende ging, war es mit Sicherheit sein Jahr geworden. Erfolgreich. Jeden Traum erfüllt. Und es gab nichts darin, was er nicht selbst bestimmt, beherrscht, beeinflusst hätte.
Doch als sie um Mitternacht auf ihren neuen Treppenstufen saß, das tiefe Loch im Blick und auch Raketenflimmern an den Wänden, da war sie völlig ruhig und aufgehoben. Und schickte in Gedanken einen Gruß.
„Du hattest Recht. Es ist mein Jahr geworden.“
Candy Bukowski
Also war es ihr Jahr geworden, weil sie eine tiefe Erkenntnis gewonnen hatte?
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Nein. Jedes Jahr wird unser Jahr, daran kommt Mensch gar nicht vorbei. Wenn ein bißchen Einsicht dazukommt, wirds leichter, tiefer, breiter.
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Okay, ich glaube, jetzt blick ich’s :-D
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:D
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Super schön !
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Carpe diem;-)
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Und jeder Tag ist unser Tag
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Genau!!! Jedes Jahr ist mein Jahr … Oder Deins … Oder Seins… Darf ich mit auf der Treppenstufe sitzen?
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Rück ran, lila. Und nimm Dir ein Glas :)
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Danke :-) Heute vielleicht auch zwei :-)
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Bei Deinem heutigen Eintrag kein Wunder :) Bin dabei, da wollen wir mal nicht geizen.
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Danke :-)
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Diese Geschichte musste ich jetzt mehrmals lesen, ehe sich der tiefere Sinn ergab für mich. Sie hinterließ sogar den Eindruck exakt so, wie sie das Thema beschreibt. Chapeau und, alle Achtung!
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sich selbst erfüllende prophetie?
ob sie den gedanken „es ist ja wirklich mein jahr geworden!“ ohne seine worte damals so auch gedacht hätte, sei dahingestellt, aaaber: es IST ihr jahr geworden. gewesen. wie jedes jahr irgendwie ihres (deins, meins) ist, wird, wenn wir es denn lassen.
feine erkenntnisse hat sie da, über löcher, gutes, besseres, bestes.
danke fürs teilen!
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oh, jetzt les ich eben erst die andern kommentare … lach … das hast du schon so geschrieben, was ich hier gemurmelt habe. egal … 😀
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Nicht egal. Toll gemurmelt :)
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Danke Dir, sehr. Es macht mich lächelnd, wie Du meinen Texten immer wieder auf die Spur kommst. Schön ist das!
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