Komm, wir melden Insolvenz an, an die Liebe

Komm. Komm mit, wir gehen jetzt nach vorne an die Theke und bezahlen.
Für jeden Kuss ein Glas voll Tränen, für jede liebestolle Nacht ein Wochenbett an Schmerzen. Für alle Blöße und die umgekehrte Haut, die wir uns zeigten, blechen wir mit einem Aderlass und dafür, dass nichts bleibt, reichen wir das letzte Hemd hinüber.

Komm, wir gehen raus und schauen schweigend hoch zum Mond, weil nun die Sonne schwarz trägt und kein Wort erklären könnte, was wir uns noch sagen wollen. Und die Gerichtsbarkeit der Fragen keine Schuld verteilt aber dennoch lebenslänglich uns als Urteil spricht. Komm, wir gehen raus und zahlen für die kleinen Zeiten voller größtem Glück mit langen Strecken heißem Pech an unseren nackten Füßen. Und dann schlagen wir die Zeit tot, dieses Monstrum an Vergänglichkeit, das kein größeres Vergnügen kennt, als uns Tag für Tag lachend beim Sterben zuzusehen.

Komm, wir heulen uns jetzt ein paar Jahre leer und kotzen Galle auf den ungeklärten Sinn des Lebens. Und wenn die Kraft noch reicht, dann wagen wir ein Tänzchen auf unserem eigenen Grab. Dem einzigen, das felsenfest besteht, während der Rest bodenlos in Sand verrinnt. Komm, wir gehen raus und schlachten unsere letzten Träume. Und wenn noch einer zuckt, erschlagen wir ihn mit dem Beil. Denn was wäre das für ein fataler Irrsinn: zu glauben was wir uns wünschen, hätte auch das Recht zu sein.

Komm, wir gehen raus und werden hart im Nehmen, weil das viel selbstverständlicher erscheint, als füreinander weich zu bleiben. Und halten durch. Für irgendwas was kommt und wieder geht und keinen Anspruch hegt, uns jemals wieder zu erschüttern in Grundfesten. Komm, wir gehen raus und tun so, als wüssten wir es nicht. Dass der Teil der wir uns waren, sich niemals wieder einem anderen zeigen kann. Und dass im Laufe der Zeit somit nichts übrig bleibt, was unbedarft und unverletzt, nochmal zu teilen wäre. Und somit schweigt und stirbt und uns verloren geht.

Komm, wir gehen jetzt raus. Und melden Insolvenz an, an die Liebe. Und weil eins das andere ist, auch gleich ans Leben. Was sind schon sieben Gottverdammte, lange Jahre Wohlverhaltenspflicht, um das vergangene Glück, das Wir, das War, das Weh zu sühnen?

Komm.

12 Antworten auf “Komm, wir melden Insolvenz an, an die Liebe”

  1. Candy, ach Candy. Wenn bloß mal Jemand den Mut hätte … zum Springen, zum Gemeinsamen. Zum Risiko. Zum Einlassen. Zum vielleicht-doch-gemeinsam-weich-landen. Wo findet man die?

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  2. Alter Schwede, Candy! Jedes Wort und alles, was dazwischen liegt, haut mich um.
    „Denn was wäre das für ein fataler Irrsinn: zu glauben was wir uns wünschen, hätte auch das Recht zu sein.“

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  3. Wie wahr, wie wahr, wie deprimierend. Ich aber nehme mir das Recht, Wünsche SEIN zu lassen und weich zu werden in dieser harten Zeit.

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  4. Da bin ich einfach nur sprachlos, beinahe zumindest. Abarbeiten, ablegen, ablieben, abhauen, ableben, abstürzen, abkotzen, ist das alles, was noch in uns ist? Das weiche Herz wird weggepackt und lachend schiessen wir uns täglich eine Kugel in den Kopf damit wir nicht mehr denken müssen. Nachdenken über das, was wirklich wichtig ist, auch wenn es manchmal Mühe macht? Und die zweite geht ins Herz. Gefühlskonsum ist möglich, aber wenn es darauf ankommt, dann lieber den emotionalen Suizid begehen, anstatt wahrhaftig zart und wild zu lieben, Freiheit geht ja über alles. Welche Freiheit eigentlich? Alles verbraucht sich und klar, es kommt immer etwas Besseres danach, solange bis wir wieder abgearbeitet, abgelegt, abgeliebt, abgekotzt haben und abgehauen, abgestürzt oder beides sind. Himmel, das endet in der Hölle und von Freiheit keine Spur.

    Toll geschrieben!

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