Autoreninterview zu „Wir waren keine Helden“

Wer mag: Laura Sonnefeld von edel & electric stellte mir Fragen zum „Heldenroman“ und ich habe geantwortet:

Liebe Candy, im Juli erscheint dein Debütroman „Wir waren keine Helden“ bei edel & electric. Wie fühlt sich das an?
Das fühlt sich ziemlich schräg an. „Die Helden“ sind mein Herzstück, einmal aus der Mitte herausgeschnitten, über viele Jahre abgehangen und nun zur Fleischbeschau freigegeben, wenn man da keine Panikattacken bekommt, wann dann?

Ist es ein Unterschied, einen Kurzgeschichtenband oder einen Roman zu veröffentlichen? Bist du anders aufgeregt?
Es ist aus zwei Gründen tatsächlich ein großer Unterschied.
Ich habe mein Leben lang einfach immer wieder trotzig gemacht, was ich machen wollte. Auch mein Erzählband „Der beste Suizid ist immer noch sich tot zu leben“ war der Selfpublishing-Schnellschuss einer Spontanentscheidung, um dem Jahr 2014 ganz persönlich noch etwas Gutes abzutrotzen. Im Nachhinein die richtige Entscheidung, denn über diesen Titel wurde edel & electric auf mich aufmerksam und nahm mich als Autorin ins neue Programm auf. Ausgerechnet mit Kurzgeschichten, dem Genre, das im Buchhandel den schwierigsten Stand hat. Andererseits kann man damit fast nur positiv überraschen, denn wenn kaum jemand etwas Besonderes erwartet, ist die Freude über einen Erzählband der unter die Haut geht, um so größer.

Die Veröffentlichung eines Romans ist jedoch tatsächlich eine andere Nummer. Es ist der erste Titel, den ich von Anfang an, über Lektorat und die gesamte, spannende Branchenmaschinerie veröffentlichen darf. Das macht Mut, das ist toll, aber ich weiß auch, dass man am ersten Roman gemessen und gewogen wird. Er entscheidet nicht unerheblich über eine mögliche Zukunft als respektierte AutorIn.

Und ich vergesse auch nie Karla Pauls absolut wahre Worte beim ersten Lektoratsdurchgang. Sie sagte: „Gib Gas, das kannst du noch besser. Trau dich was und vor allem, wenn du ihn fertig überarbeitet hast, musst DU deinen Roman lieben und völlig klar mit ihm sein. Feuilleton lobt und verreisst. Du musst in beiden Fällen aufrecht für dich stehen können und sicher sein, dass du ein gutes Buch geschrieben hast.“

Dafür bin ich dankbar und daran habe ich mich gehalten. „Wir waren keine Helden“ ist mein Debütroman, ich kenne seine Stärken und Schwächen und egal was passiert, er wird nicht alleine bleiben. Zusammen mit dem wundervollen, literarischen Cover von Anke Koopmann bekommt er eine große Chance, in der er sich jetzt bewähren möchte.

Kannst du „Wir waren keine Helden“ in drei kurzen Sätzen zusammenfassen?
„Wir waren keine Helden“ ist die Geschichte von Sugar, beginnend in den 80ern am „Arsch der Welt“, der totalen Provinz, aus der sie sich befreit und ein selbstbestimmtes, ungenormtes Leben sucht. Es ist die Geschichte der Jugend einer ganzen Generation, der heute Ü40-jährigen, und auch wenn sie jeder mit etwas anderen Highlights erlebt hat, wird jeder sich darin wiederfinden. Und es ist eine Geschichte vom immer wieder aufstehen, auch wenn man erst im Laufe eines Lebens versteht, wofür man das eigentlich genau tut.

Was ist der rote Faden der Geschichte?
Die Freiheit öfter zu lieben, zu tanzen, zu vermissen und zu versagen, als es die meisten Menschen als zuträglich empfinden. Allen aufrecht gescheiterten Helden ist der Roman gewidmet. Es bedarf viel Mut und Kraft, ein freier Kopf mit einem freien Herz zu sein.

Zudem bildet der Aufbau, dass jedes Kapitel mit einem Song des jeweiligen Jahres verknüpft wurde, eine wunderbare Klammer über das gesamte Buch. Sie hält alles zusammen, was bei der Geschwindigkeit der Geschichte, eine gute und wichtige Entscheidung war. Wenn die Mehrzahl der Leser sich vom Text tragen lässt und dabei ungewollt den Song zum Kapitel summt, dann haben wir vermutlich alles richtig gemacht.

Hand aufs Herz, wie viel Candy steckt in Sugar?
Diese Frage war lange meine größte Sorge, wohlwissend dass sie natürlich immer wieder kommen wird.
Candy und Sugar sind eins. In jung und in gereift. Aber Candy schreibt. Und Sugar akzeptiert, in welchem Tempo, mit welchen Schwerpunkten und welchem Gefühl Candy das tut. Die Frage nach der Wahrheit bleibt sowieso immer müßig. Frage zwei Personen nach dem gestrigen Nachmittag und du bekommst drei unterschiedliche Wahrheiten, auf die jeder sein Leben verwetten würde. Candy wettet nicht. Sie erzählt die Geschichte von Sugar, Pete, Luke und Silver. Sie bietet ein Lebensgefühl voll Mut und Melancholie an und möchte mit ihrer Sprache überzeugen.

Welche Szene der Geschichte schrieb sich am schwierigsten?
Sicherlich keine von denen, wo es der Leser vielleicht vermuten würde. Ich habe keine Probleme damit, mit mir selbst schonungslos zu sein. Aber eine Szene im Mittelteil, deren Hauptfigur ich meiner Tochter zuliebe, weder ausreichend ausarbeiten, noch völlig verfremden wollte, die zeigt Schwächen und hat mich damit viel Nerven gekostet.

Dafür liebe ich wahnsinnig den Schluss der Helden. Der war im ersten Entwurf ziemlich mau, an den musste ich nochmal komplett neu ran, also schaffte ich ersteinmal für ein paar Wochen Abstand und machte Urlaub in der alten Heimat. Als ich mit meiner besten und ältesten Freundin, nebenbei Verlagsfrau, dann einen Nachmittag am See saß, wir uns die Regeln eines guten Buchendes zuwarfen und die richtigen Emotionen dazu, da war auf einen Schlag alles klar. Ich musste nur noch nach Hause und ihn einmal genau so heruntertippen, wie ich ihn als Film vor mir sah.

Wenn er bei den LeserInnen genauso funktioniert, wie bei mir selbst, wäre das größtes Glück für mich. Ich gebe zu, in den Schluss der „Helden“ bin ich verliebt. Mit ein Grund, weshalb ich sie nun guten Gewissens loslassen kann.

Ist es schwer den eigenen Roman jetzt in die Welt zu entlassen? Wie fühlt es sich an, die Geschichte freizulassen, nichts mehr verändern zu können?
Es fühlt sich ungefähr so an, wie wenn Dein 18jähriger endgültig das Haus verlässt.
Du kennst seine Stärken und Schwächen, du weißt genau was du ihm geschenkt und was du an ihm verbrochen hast. Du wünscht ihm so sehr, dass er geliebt und einen großartigen Weg finden wird, aber weißt auch darum, dass er dir etliche notwendige Abrechnungen nicht ersparen kann. Trotzdem ist es an der Zeit, dass er jetzt endlich raus ins Leben geht und sich bewährt.

Genau so ist das. Und ich stehe wie eine aufgeregte Alleinerziehende an der Tür und schwanke zwischen dem großen Wunsch nach vergangener Intimität und der Freiheit, etwas völlig Neues beginnen zu können.

Aber genau darum, geht es doch auch in meinem Roman: immer wieder loslassen was du dir vertraut gemacht hast, immer wieder neu anfangen und immer wieder begreifen, – auch wenn wir  noch so sicher waren, dass es UNS gelingen wird – wir waren keine Helden. Wir mussten und müssen viel besser sein.

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