Ich verfüge

Ich verfüge…
mich niemals, zu keinem Zeitpunkt, altersunabhängig, – weder morgen noch in 20 Jahren – in einer Pflegesituation wiederfinden zu wollen, die über das Zeitfenster konkret abschätzbarer Genesung, oder eines menschenwürdigen Sterbens hinausgeht.

Vor dem Hintergrund meiner gesundheitlichen Vorgeschichte, ist es deshalb meine bewusste Entscheidung, dass im Falle eines Herz-/Kreislauf-Stillstandes auf wiederbelebende Maßnahmen, das Anfordern eines Notartztes etc. konsequent verzichtet wird. Ich verzichte ebenso grundlegend auf lebensverlängernde Maßnahmen und Eingriffe, deren Wirkung ausschließlich den Erhalt meiner Vitalwerte, nicht aber die hohe Aussicht auf eine Rehabilitation beinhalten, die physisch und psychisch eine Rückkehr zu gesunder, aktiver und bewusster (!!)  Teilnahme am Leben ermöglicht.

In einer solchen Situation betrifft meine Entscheidung auch die Einstellung einer mögliche Beatmung. Ich setze dabei voraus, dass ich Medikamente zur hin­reichen­den Lin­de­rung von Atemnot, Schmerzen und möglicher Panik erhalte. Unter genannter Situation wünsche ich keine künstliche Ernährung, unabhängig von der Form (Magensonde durch Bauchdecke (PEG) oder durch Nase, ebenso wenig wie Kalorienzufuhr durch venöse Zu­gän­ge). Auch keine künstliche Flüssigkeitszufuhr mehr, außer sie ist – in ver­min­der­tem bzw. angemessenem Maße – palliativmedizinisch erforderlich. Es soll mir nur Flüssigkeit gereicht werden, die ich auf natürlichem Wege über den Mund aufnehmen kann. Auf die fachgerechte Mundpflege und -be­feuch­tung ist besonderer Wert zu legen.

Wenn Schmerzen, Atemnot oder quälende Unruhe anders nicht hinreichend zu lindern sind, wünsche ich auch solche Mittel, die mich sehr müde machen oder mein Be­wusst­sein einschränken können. Ich stimme auch einer Bewusstseinsausschaltung (»künst­licher Tiefschlaf«) oder einer Lebensverkürzung als möglicher, ärztlich nicht beabsichtigter Nebenwirkung zu. Ich gehe davon aus, dass im 21. Jahrhundert KEIN Mensch mehr seinen Tod durchleiden muss, die ausreichend Gabe von Morphium und vergleichbaren Mitteln der Schmerztherapie halte ich auch hochdosiert für opportun.

Ich verfüge darüber hinaus, dass im Falle ich selbst dazu nicht mehr ausreichend fähig bin, alle notwendigen Entscheidungen von meinen gewählten Patientenvertretern in gemeinsamer Absprache getroffen werden. Zu diesen gehören weder meine Eltern, noch zu einem späteren Zeitpunkt meine Tochter, da ich ihnen diese Aufgabe nicht zumuten möchte. Insbesondere aber meine Schwester, bedingt durch ihr hohes, medizinisches Fachwissen. Ich bin mir sicher, dass alle zu treffenden Entscheidungen von meinen Patientenvertretern sehr eng an meinen Wünschen und Ausschlußkriterien getroffen werden. Sie sind in jeder Hinsicht so groß, dass sie dies bewältigen können, auch wenn ich ihnen diesen Einsatz nur ungern abverlange.

An dieser Stelle erscheint es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass ich mich gegen mögliche Organspende und Organerhalt entschieden habe. Nach reiflicher Überlegung bezüglich der Hirntoddefinition der Harvard Medical School, sowie in Auseinandersetzung mit dem konkreten Ablauf von Organentnahmen , komme ich für mich zu dem Schluß, dass es sich bei Hirntodpatienten um Sterbende handelt.
Ich möchte nicht, dass einem Menschen während seines Sterbeprozesses Organe für mich entnommen werden. Ebenso halte ich meinen persönlichen Wunsch nach einem friedlichen, vollständigen Tod ohne klinische Einwirkung, für legitim. Ich bestärke ihn hiermit ausdrücklich. Mein Respekt und mein Verständnis gegenüber Menschen, die dieses schwierige Thema für sich anders entscheiden, bleibt davon unberührt.

Ich wünsche mir für die Dauer meines möglichen Sterbeprozesses, die Unterbringung in einem Hospiz mit palliativer Betreuung. Diese Wahl kommt meinem Leben als eigenverantwortlichem Menschen in der letzten Phase am nächsten. Soweit irgendwie möglich, bitte ich von den, für mich unerträglichen, Alternativen Krankenhaus, Pflegeheim, oder auch zuhause abzusehen, da ich weder als Nummer, noch als familiäre Belastung, diese Zeit bewältigen möchte.

Ich lebe äußerst gerne und formuliere diese Wünsche in keiner Form leichtfertig oder unüberlegt.
Wenn auch körperlich leider etwas angeschlagen, so befinde ich mich doch geistig bei bester Gesundheit und vor allem in thematischer Klarheit. Gerade deshalb, galt es genau jetzt diese Überlegungen zu führen und für die – wie auch immer geartete Zukunft – verbindlich zu entscheiden.

08.02.14
Candy Bukowski

10 Antworten auf “Ich verfüge”

  1. Und ich versichere, dass all das, was hier geschrieben wurde, bei klarstem Verstand, mit kühlem Kopf und klarer Sicht geschrieben wurde. Das bist Du.
    Ich bin da.

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    1. Nach meiner Kenntnis nicht – aber es muss – mit Datum natürlich – unterschrieben werden. Günstig ist es immer, noch ein oder zwei Zeugen zusätzlich unterschreiben zu lassen, die keine Anwälte sein müssen. Wir haben in unserer Beratung dazu gesagt bekommen, dass es günstig ist, diese Verfügung in größerem Abstand zu erneuern, da sich vielleicht etwas ändert in der Einstellung oder im technischen Fortschritt.

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  2. Vielmehr gibt es dazu kaum zu Überdenken und zu Entscheiden. Gut formuliert, alles bedacht. Wenn du es jetzt noch in die vom BmfJ vorgesehenen Formulare einträgst und unterschreibst, machst du die Durchsetzung deiner Vorstellungen für die Beauftragten rechtlich wasserdicht. Melde dich, wenn du die Blankovorlagen haben oder dazu noch etwas wissen möchtest …

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  3. Ich habe mich genau mit diesem Thema in den letzten Wochen auseinandergesetzt und sogar beim bmj eine Broschüre zur Patientenverfügung angefordert. Jetzt erkenne ich, dass es reine Zeitverschwendung ist damit zu warten bis die Broschüre kommt. (auf die ich jetzt schon etwa 4 Wochen warte) Es geht auch ohne Broschüre, wenn man für sich selbst genau weiß, was man im Fall des Falles möchte.
    LG Ariana

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