Menage à trois

Die beiden betreten das kleine Kinofoyer und auf den ersten Blick ist alles klar.
Mittfünfziger Pärchen. Durchschnittliches Äußeres, nicht im geringsten auffallend. Beide tragen konsequent helles, freundliches Schwarz. In der gediegenen Variante.
Er: Anzughose, Hemd, Wollmantel, Designerbrille.
Sie: ein halbtransparentes Blusenoberteil mit Halsbandabschluß. Kurze Lederjacke. Unter der figurbetonten Hose zeichnen sich Strumpfhalter ab.

Als sie reinkommen, steht der Typ von der seltsamen Sitzbank an der Wand gegenüber auf und geht ihnen entgegen. Designerbrille stellt dem Herrn die Dame vor. Und der Dame den Herrn. In exakt dieser Reihenfolge. Ich bekomme langsam Spaß an der Sache, lehne mit einer Flasche Becks Lemon an der Wand und freue mich über den überraschenden Vorfilm.

Es ist ein wirklich kleines Programmkino, mit wirklich kleinem Foyer. Man steht eher präsent. Das war etwas unüberlegt.
Aber es läuft gut an. Der Smalltalk vergrößert sich vom anfänglichen Herrengespräch auf die gesamte Runde. Keine Frage, die Dame steigt ein.
Die Überwindung dürfte nicht allzu schwer gefallen sein, – der Typ ist deutlich etwas jünger als sie, durchschnittlich attraktiv und freundlich. Redegewandt, gebildet. Gerade spricht man über China-Reisen. Auch hier: gepflegtes Äußeres, legeres Hemd, unter der hellbeigen Leinenhose eindeutig eine schwarze Boxershort. Man hat sich Mühe gegeben, die Verpackung passt.

Drei, die heute noch etwas vorhaben. Schöner Plan.
Ausgefuchster Plan.
Zum gemeinsamen Opener des Abends wurde Nymph()maniac erkoren.
Heute. Zum bundesweiten Kinostart des neuen Lars von Trier Films. Hier waren also eindeutig zwei gute Planer am Werk.

Ob aus dem Opener allerdings ein Anheizer werden wird, bleibt abzuwarten. Es könnte mit Pech auch auf das intellektuelle Küchengespräch beim 5.Rotwein hinauslaufen. Oder auf großes Schweigen, plattgewalzt vom Monster Lebenstristess. Von Trier ist da ja eher nicht so zimperlich.

Die Menage à trois in Planung unterhält sich inzwischen aufgeschlossen und scheint sich einig, die Designerbrille geht zur Kasse und kauft 3 Karten. Währenddessen stockt das Gespräch zwischen den Zurückgebliebenen, es wird sich belauernden Blickes etwas Appetit geholt. Das wird was, wenn es Lars von Trier nicht kaputt macht.

Wir dürfen in den Saal.
Abendvorstellung auf hübschem Rotsamt. Das Gespann sitzt schräg vor mir und hat die Dame in die Mitte genommen. Man ist entspannt. Und zu Beginn sieht das auch alles gut aus.

Eine auf der Strasse verletzt aufgelesene Joe (Charlotte Gainsbourg) erzählt ihrem Gutmenschretter Seligman bei Tee und Keksen von ihrem – in eigenen Augen – moralisch verwerflichen Sexleben. Das ist der Plot. Prall gefüllt mit Rückblenden im 80er Flair und mit durchaus bemerkenswerten Gesprächsfetzen über Moral, Werte und Bedürfnisse.

Ein bißchen viel Klischee-Lolita-Entjungferungssex im ersten Viertel vielleicht, aber die Drei vor mir, dürften zufrieden sein. Die Teenagerausgabe der filmerzählenden Joe gibt alles, fickt sich durch einen ganzen Zug, und wir dürfen zugucken. Wer sich „unbefriedigt nymphoman“ versprochen hatte, bekommt unbefriedigt nymphoman.

Aber Lars von Trier wäre nicht Lars von Trier, wenn das so bleiben würde. Und das ist gut so, denn sonst hätten wir ja auch alle ins Pornokino gehen können. Auch wenn die Marketingstrategie von Nymph()maniac eindeutig auf werbeträchtig orgiastisch ausgelegt war, so ist es doch – wie ebenso angekündigt – kein erotischer Film.

Man müsste schon extrem hartgesotten sein, um bei der intensiven Sterbeepisode des Vaters, oder der wirklich grenzgenial grotesk von Uma Thurman gegebenen, verlassenen Ehefrau, einen Ständer zu behalten.

Mich zumindest, haben die 110 Minuten des 1.Teils in manchen Phasen sehr berührt, in einigen sehr gelangweilt, in etlichen sehr gut unterhalten, in anderen durchaus betroffen gemacht. Ein Sammelsurium an unterschiedlichsten Gefühlslagen, nur erotisch war das alles sicher nicht. Ein paar deutliche, nette Ficks hin- oder her, sie sind Ausdruck, Ventil, Hoffnung, Einsamkeit. So wie der gesamte Film ebenso viel Poesie, wie Spiel mit Klischee beinhaltet.

Provozieren konnte er mich nicht, der Herr von Trier, honorieren kann ich trotzdem, was er für meine Wahrnehmung abgeliefert hat. Das wäre auch kürzer gegangen und was ab 20.April mit dem abschließenden Teil 2 durch die Kinosäle flimmert, gestaltet sich noch offen, aber  Teil 1 habe ich zumindest nicht bereut. Das ist schon etwas.

Ob aus den Dreien in der Reihe vor mir, nach dem ganzen Zauber noch eine lustvolle Menage à trois wurde?

Ich weiß es nicht.
Vermutlich ja, ich wünsche es ihnen sehr.
Dann aber sicher aus eigenem Antrieb und persönlichem Kopfkino.
Nymph()maniac war dafür vermutlich eher ein schlechter Appetizer.

Candy Bukowski

3 Antworten auf “Menage à trois”

  1. Ich war gestern auch drin. Wir waren ein netter Fünfer, da ich eine Couchsurferin mitbrachte und mich mit drei Freunden traf. Da es in einem großen Film-„Palast“ stattfand, bezweifle ich, dass sich ein Dreier, wie in deinem Fall auch dort gefunden hatte. Zum Film selbst kann ich nur sagen, dass ich am Ende froh war, als der Teil rum war, aber nicht, weil es mir nicht gefallen hätte, sondern weil ich es emotional einfach zu krass fand um noch zwei Stunden dabei zuschauen zu können. Die Szenen waren zwar teilweise surreal, aber gleichzeitig doch so echt und ehrlich… Und mit was für einer Kunstfertigkeit da vorgegangen wurde, also ich bin begeistert und freue mich schon auf den zweiten Teil. Vielleicht sollte ich dafür nach HH reisen und mich von Candy ins Kino zerren lassen, damit ich mit ihr den nächsten Dreier beobachten kann :-D

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