1 Euro für den Pool

In unserem Küchenschrank lebt ein Traum. Vielleicht auch ein Plan.
Als ich ihn dort das erste Mal gefunden habe, ging mir das Mutterherz zuerst in Liebe über und dann schwappte auch ein wenig Schmerz dazu.
Meine Tochter, das Wilde Wesen, hat ihn dort mit ihren 11 Jahren aufgebaut. Eigentlich heimlich hineingebastelt. Aus zwei bunten Ikeabechern wurden durch Paketklebeband mit Schlitz, zwei Spardosen für ihr Taschengeld und was davon manchmal so übrig bleibt. Bunt beklebt und hoffnungsfroh beschriftet.

10 Cent: sparen für den Schuhschrank
1 + 2 Euro : für den Pool

Ich weiß um ihre Vorstellung, irgendwann mit Zwanzig ein eigenes Haus zu beziehen. Von einer Kreativ- und Mode-WG mit Freundinnen ist da öfter die Rede. Es wurden bereits Raumpläne gezeichnet und für jede ist wohl auch ein begehbares Ankleidezimmer geplant.

„Na, dann mal los!“, sage ich immer, wenn davon die Rede ist und denke dabei heimlich an die übliche, erste zusammengewürfelte, Jaffa-Kisten Ausstattung, den Jugendschreibtisch und ein paar von Kindheit an lebendig geliebte Kuscheltiere. Anscheinend wird aber auch ein schicker Schuhschrank für all die High Heels gebraucht, die ich noch lange untersage, obwohl sie mit Schnappatmung ersehnt werden.

1+2 Euro für den Pool.
Schon einiges drin, im Becher, der Traum scheint konkret zu sein.
Oder besser der Plan. Wer bin ich denn, den Pool als Traum abzustempeln und somit als unerreichbar bewerten zu dürfen? Mich hinter vermeintlicher Erfahrung zu verstecken, anstatt mir zuzugeben, dass ich womöglich einfach nie groß genug geträumt haben könnte? Oder zu wenig geglaubt und vertraut? Als ob es wirklich einfacher wäre, uns jeden Monat so irgendwie über die Runden zu bringen und auch in der Zukunft nur wenig Möglichkeiten für eine gute Veränderung zu sehen.

Vielleicht sollte ich mir auch einen Becher basteln.
Vielleicht wüsste ich dann irgendwann sogar, womit ich ihn schon immer beschriften wollte.

Candy Bukowski

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10 Antworten auf “1 Euro für den Pool”

  1. Denke, sobald ein Traum seinen eigenen Becher hat, in den man „investieren“ kann, ist ja nicht immer nur Geld, so hat er schon begonnen, zu einer Realität zu werden, Prozentpunkt um Prozentpunkt. Kann dauern, aber solange der Becher heile bleibt, ist die mögliche Realität weiterhin reale Möglichkeit (Musil angelehnt) und nicht futsch.
    So ein Traumbecher ist wie der Zahnputzbecher. Da kommt rein, was es braucht. Deswegen sind die Zähne noch nicht gepflegt. Da gehört noch was dazu. Und ein Loch kann immer passieren. Aber es ist ein Anfang.

    Freundlichst
    Wuff!

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  2. Ich mach jetzt einen Traumbecher für „Selbstständig machen“ – keine Ahnung, was daraus wird, aber vielleicht muss man, wie Deine Tochter, einfach nur diese eine Hürde überwinden: Etwas muss zuerst formuliert werden, damit es überhaupt schon einmal so mitten in der Welt steht. Oder im Küchenschrank. Der bloße Gedanke wird damit bereits zum Gegenstand. Kann man in die Hand nehmen und anfassen, und Andere können ihn anschauen. (Vielleicht geht mein Becher – wie immer alles – am Ende nur wieder für unvorhergesehene Kosten drauf. Vielleicht auch nicht. Vielleicht gebe ich meinen Becher in fünfzehn Jahren an meinen Sohn weiter…..) Kennst Du eigentlich „Rohstoff“ von Jörg Fauser (Gott hab ihn selig)? Da ist dieser Typ, der immer von Mexiko redet, obwohl er nie dorthin kommen wird. Und da heißt es nicht etwa „Spinner“, sondern, Zitat: „Jeder braucht sein Mexiko.“ Wer weiß, vielleicht ist er ja doch mal rübergeflogen? Und wenn nicht….

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  3. „Visualisierung von Zielen“ würde man dies wohl fachlich nennen, was Kinder gerne tun und auch richtig ist. Ich selbst habe ebenfalls wieder damit begonnen – eine Spardose für den Urlaub. Mit jedem Geldstück wird der Urlaub konkreter und wenn ich dann irgendwann in Italien bei einem Glas Wein sitze, weiß ich woher das Geld stammt – kleinteilig gespart über Monate. :)
    Eine schöne Geschichte… Danke!
    Oliver 2.0

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  4. Es ist und bleibt ein Privileg der Kinder und sehr weniger Erwachsener sich diese Träume aufrecht zu erhalten.

    Ich kann es nicht und bin immer wieder erstaunt wie andere es können. Auch die Leichtigkeit mit der vermeintliche Widerstände überbrückt werden können ist immer wieder herrlich.

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  5. Habe gerade diese Tage ausgesprochen, dass ich das Groß-Denken üben und für mich kultivieren mag. Da kann ich noch einiges Lernen. Will und werde es!
    Beim Lesen bzw. Betrachten überlegte ich auch: Was schreibe ich auf? Wie kann ich eine Idee oder Vision zwei Schritte nächer bringen?
    Deine Mutmach-Worte für die Tochter finde ich ausgesprochen wohltuend!

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  6. Meine „Wunschspardose“ ist bald voll – ich habe keine Ahnung, was da drin sein wird, aber ich werde etwas Schönes damit anstellen :-)

    und JA: Mach Dir Deinen eigenen Spar-Becher… :-)

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  7. Ich finde es berührend, dass deine Tochter sich diese Ziele so konkret vorgenommen zu haben scheint, dass sie sich etwas Greifbares geschaffen hat. Die meisten Erwachsenen haben in der Tat diese Eigenschaft verloren – oder sind höchstens in der Lage, es für profane Dinge wie den nächsten Malle-Urlaub oder einen Wagen mit Heckspoiler anzulegen (mir kommt da gerade die berühmte Flasche mit Kleingeld in den Sinn).

    Es ist schön, wenn man groß träumen kann! Wenn ich könnte, würde ich deiner Tochter einen Euro in die Spardose stecken.

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