Mein täglicher Arbeitsweg führt an einem Reisebüro vorbei.
Meyer-Reisen. Meyer mit ey.
Ein verstaubter, winziger, alter Laden. Das kleine Schaufenster ist mit gelber Sonnenschutzfolie beklebt. Dahinter sieht alles vergilbt und wertlos aus. Das machen die aus Katalogen ausgeschnittene Angebote, hauptsächlich Busfahrten, nicht besser. Mal eben nach Polen, günstig Zigaretten vom Schwarzmarkt noggern oder Butter aus Helgoland hamstern. Kaum ein Mensch macht das mehr. Vielleicht die Rentnerfront auf der Suche nach Heizdecken für nächtliche Glückseeligkeit. Wer weiß es so genau?
Ich habe noch niemals einen Kunden in diesem Laden gesehen. In vielen Jahren noch nicht einen einzigen. Und auch ich würde hier im Leben auch keine Reise buchen, aus der sicheren Vorstellung heraus, dass das einfach nicht gut gehen könnte. Eher kaufe ich per Ebay ein Oneway-ticket nach Timbuktu und schaue, wie ich auf eigene Faust weiter komme. Mein Vertrauen in Herrn Meyer ist eindeutig begrenzt.
Obwohl wir tatsächlich eine Art Beziehung zueinander haben. Der alte Herr Meyer und ich.
Tag für Tag rückt er morgens die handgeschriebene Tafel zurecht, die ebenso wackelig und zeitlos wie er selbst, draußen vor der hölzernen Tür steht, und Tag für Tag richtet sich Herr Meyer dann etwas gerader im Rücken auf, zwinkert mir zu und begrüsst mich mit dem immer selben Satz.
“Endlich mal was Nettes!”.
Ja, das sagt er. Zu mir. Endlich mal was Nettes.
Vermutlich sagt er das zu jeder etwas jüngeren, lächelnden Frau, die irgendeine kleine Ähnlichkeit mit seiner verstorbenen Frau hat.
Denn die fehlt ihm sehr. Ich habe ihn einmal danach gefragt und sein Blick sprach Bände. Viel mehr musste und wollte er gar nicht sagen.
Ich kann mich auch nicht mehr erinnern, wer anschließend wem die Hand getätschelt hatte.
Vielleicht waren wir es beide.
Was ja auch völlig egal ist, solange wir uns gegenseitig beim klitzekleinen Tagesritual ein klitzekleines Glück beschehren.
Endlich mal was Nettes.
Candy Bukowski