Wir haben uns mit 20 geliebt, mit 30 und mit 40.
Als unverrückbares Grundgefühl, egal was passierte und mit wem wir gerade zusammen waren. Einfach weil unsere Pläne nicht in ein gemeinsames Leben gepasst hätten. Und weil wir sie dann vermutlich totgeliebt hätten, unsere Liebe.
Wir haben miteinander geschlafen. Mit 20, mit 30, mit 40 und dazwischen. Immer dann, wenn es einfach nicht mehr anders ging, wenn alle Sehnsucht auf unerträglich „genug vermisst“ stand. Die Zeit konnte uns nie trennen. Nicht über Monate, nicht über Jahre, nicht einmal in zwei unterschiedlichen Kontinenten gingen wir uns verloren.
Ein volles halbes Jahr haben wir ihr mit 30 gestohlen, der Zeit.
Ein halbes Jahr voller Dienstage. Unglaubliche, wunderbare Dienstage am Stück. Reiche Königskinder, die wir waren.
Als ich Jahre später selbst eines unterm Herzen trug, war er fast ebenso glücklich wie dessen Vater und sagte, ein klein wenig wäre es doch auch seines, weil es meines ist. Es war nicht das erste Mal, dass er mir den Atem stocken ließ, einfach mit einem Satz tief aus seinem Bauch.
Und nun sitzen wir in dieser Bar, nach so lange nicht gesehen und ich würde Dich dennoch aus allen anderen herausfühlen, herausschmecken, herausriechen. Vertraut wie immer, wie nie fortgegangen, wie nie wiedergekommen.
Die Falten im gebräunten Gesicht stehen ihm gut, seine geventen Unterarme versprechen den selben Halt wie immer.
„Was möchtest Du trinken, Sugar?“
Sugar. Kein Mensch dieser Welt, in der ich Candy bin, dürfte es wagen mich mit seinem Namen für mich anzusprechen. Von keinem anderen würde ich mich angesprochen fühlen.
Ich nehme die angebotene Karte aus der Hand der fast unverschämt schönen, jungen Barfrau. Werfe einen kurzen Blick hinein und lege sie ungelesen zurück auf den Tresen. Mein wortloses Grinsen lässt ihn stutzen und selbst danach greifen.
Er schlägt sie auf und lächelt.
Als er mir die so fremde Lesebrille aus seiner Hemdtasche reicht, berühren sich unsere Hände und Blicke so, wie sie es vielleicht noch nie getan haben. Nicht in über 25 Jahren, nicht in unserem ganzen, gemeinsamen, reichen, wilden Leben.
„Wir haben immer alles gesehen, was es zu sehen gab, Sugar. Und wir werden gerade jetzt sicher nicht damit aufhören. Brille steht Dir übrigens ganz ausgezeichnet, Du solltest öfter eine tragen.“
Nur ein langer, zeitloser Moment voll allem Erlebten. Allem Verstehen.
Ich schmiege meine Wange in seine Hand.
Melancholie umarmt unser Sein.
Und dann balgen wir wieder lachend, küssend, begehrend, wie unbedarfte, junge Hunde durch die Nacht.
Forever young. Forever.
Candy Bukowski