Sie sitzt drüben, an einem Biertisch unterm Kastanienbaum und genießt wie alle hier den schönen Spätsommertag. Ich war bis eben in mein Buch vertieft und habe rein zufällig beim Nase in die Sonne strecken, zu ihr hinüber gesehen.
Sie ist eher klein, kurvig, hat ihren perfekten Hintern in einer engen Jeans stecken und trägt hell Gehäkeltes locker auf gebräunter Haut.
Hängengeblieben bin ich an ihrem Gesicht, vielleicht auch an ihrem Stolz. Sie sitzt aufrecht, ohne verkrampft zu sein, streicht sich hin und wieder das lange, glänzend dunkle Haar nach hinten und hat ein schönes Lachen. Mit einer klitzekleinen Lücke zwischen den beiden Vorderzähnen, unperfekt im Detail und wunderschön. Sie hat etwas Indianisches. Fein geschnittene Gesichtszüge ohne Damenhaftigkeit, einen zarten Lippenbogen ohne Mädchenschmollmund. Lediglich die Augen unter den feinen Brauen sind dunkel geschminkt. Dort sitzt ihr selbstverständlicher Stolz, er steht ihr gut und ich würde viel darauf wetten, dass ein Blick in ihre Augen Smaragdgrün verheisst.
Sie gestikuliert viel, aber nicht übertrieben. Und sie bleibt indianisch für mich. Ich könnte es mir großartig vorstellen, wie sie auf einem Wildpferd über die Prärie prescht und laut in den Wind lacht. Keine Zwanzig mehr, eher Mitte Dreissig, aber zeitlos. Sie wird irgendwann als alte Frau nichts von dem verlieren, was sie heute in und um sich trägt.
Der Typ neben ihr, hat mich bisher nicht ansatzweise tangiert. Aber sie blickt nun fragend zwischen ihm und mir hin und her. Verständliches Achselzucken auf seiner, kurzer Blick zurück ins Buch auf meiner Seite. Aber das reicht ihr nicht. Sie bleibt auf Hab Acht und redet aufgebracht auf den armen Kerl ein.
Da habe ich ja etwas Schönes angerichtet, Apanatschi läuft in Gefahr sich aufs Wildpferd zu schwingen. Und ich habe zu lange in die Prärie geguckt.
Zeit, ein wenig Kleingeld für meinen Kaffee auf den Tisch zu legen und Richtung Parkplatz zu gehen. Mit einem kleinen Schlenk am Kastanienbaum vorbei, um dort kurz inne zu halten. Sie erwartet mich mit gehörigem Misstrauen und ganz reizend hochgezogener Augenbraue.
“Hey, bitte keine falschen Schlüsse ziehen. Ich habe nicht Deinen Kerl angesehen, sondern Dich. Du bist eine wunderschöne Frau…
Und eben tatsächlich vor meinen Augen frei durch die Prärie galloppiert.”
Ihr Gesicht entspannt sich bedächtig. Die feine Braue verliert ihre Strenge und gibt langsam zunächst einen überraschten, dann lächelnden Blick frei.
Smaragdgrün.
Candy Bukowski
Es ist so spannend Leute zu beobachten und zu überlegen was der Hintergrund ist. Ich wünsche mir manchmal Sherlock Holmes an meine Seite, der das dann erklären könnte
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