Der Supermarkt in unserem Viertel schließt. Nicht nur nach 20 Uhr, sondern komplett, er löst sich regelrecht auf und das kann man seit einigen Tagen in ganz außergewöhnlicher Dokumentation miterleben. Nicht, dass das jemals ein besonders ansprechender Nahrungsdealer gewesen wäre, aber es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn sich nach und nach die Regale lichten.
Zuerst wurde einfach alles nach vorne an die Kanten geräumt und nur wenn man genau hinsah, wuchs hinten die Leere. Inzwischen prangen deutlich große Lücken zwischen allem. Das hat tatsächlich etwas von „Oma erzählt vom Krieg“. Mit ausreichend persönlichem Hang zum Drama, kann man sich durchaus mal den Gedanken gönnen, wie es nun wäre, würden die Sirenen plötzlich heulen, knapp nebenan eine Fliegerbombe einschlagen, und man sich selbst überlebenswillig zwischen die Reste der Kleenexrollen werfen, um dem Schlimmsten zu entgehen.
Aber auch ohne Drama, beginnen wir alle deutlich zu hamstern. Grundnahrungsmittel wurden schon in großen Mengen nach Hause geschleppt, – wer weiß wann es mal wieder Mehl und Nudeln und Zucker gibt. Und vor allem wo? Jetzt sind die Alkoholika dran, man sieht es deutlich. Hinz und Kunz haben bereits zugeschlagen, der günstige Lieblingsprossecco ist weg, Bier wird es wohl bis zum Schluß geben, der Letzte trägt den Kasten raus und löscht das Licht.
Beim Kaffeehamstern habe ich komplett versagt. Das hätte nicht passieren dürfen, meine umweltverpestenden Tassimo-Latte-Kapseln sind bereits ausgemustert, die kommen nicht mehr wieder, ich sehe es mit Schrecken. Supergau! Ich steiche mir mit zitternden Händen über die verstaubte Trümmerfrauen-Schürze und greife nach einer Familienpackung Anrührcappuccino.
Grausiges Zeug. Aber Mukefuck passt gerade recht gut zu meinen Eckdaten und somit wird er jetzt auch täglich bis zum letzten Pulverkrümel zelebriert. Die Zeiten richten sich nicht nach Dir, Du richtest Dich nach den Zeiten, das war schon immer so. Also nicht angestellt, sondern durchgezogen, die Zeiten werden auch wieder besser, das war auch schon immer so.
Glücklicher Weise passt der grausige Mukefuck ganz hervorragend zur nicht vorhandenen Zigarette.
Ich gebe zum 3. oder 30.sten Mal das Rauchen auf, meine Laune gestaltet sich entsprechend, denn ich rauche gern. Ja, das darf man nicht laut sagen, das ist total uncool. Seltsam nur, dass alle Nichtraucher sich Gottsergeben hüstelnd, dann doch bei jeder Party gerne zu den fiesen Rauchern in die Küche stellen und sich gerne ein paar Stücke der schönen, trunkenen, lachenden, nicht nach Hause gehen wollenden Melancholie abzapfen, die genau hier und nur hier durch die eingetrübte Gegend wabbert.
Anrühr-Cappuccino zur nicht vorhandenen Zigarette also.
Ein Trauerspiel.
Vielleicht wenn die Amerikaner bald…
Sieht schlecht aus, Candy. Das Kaugummi Regal im sich auflösenden Supermarkt ist noch gut gefüllt.
Candy Bukowski
Habe zum glück nie geraucht aber schon viele Raucher erlebt die aufhören wollten. Das ist kein Spaß (weder für den Raucher noch die Umwelt). Ohne guten Cappuccino könnte ich allerdings nicht mehr leben (ja, ich hatte auch eine Oma, die vom Krieg erzählt hat). Da wirst Du wohl mit dem Bollerwagen losziehen und zur Not „fringsen“ gehen müssen (Kennst Du den Ausdruck?)
LikeLike
Kein Spaß, nein, nicht im geringsten. *smile*
„Fringsen“ kannte ich nicht, habe ich aber natürlich sofort gegoogelt. War ja überhaupt ein beeindruckender Mann, dieser Kardinal Frings : http://einestages.spiegel.de/static/authoralbumbackground/1960/_fringsen_war_kein_freibrief.html . Ja, da werde ich wohl mal mit dem Bollerwagen los müssen ;)
LikeLike
HH war britische Besatzungszone, sonst hättest Du Dir noch einen GI angeln können. Der hätte bestimmt einige Lucky Strikes dabei ;)
Viel Kraft beim Durchhalten
LikeLike
*lach* nehme ich auch ;)
Danke! Grüße!
LikeLike