Das Monster im Rücken

Es liegt hinter ihr und greift mit eiskaltem, stählernen Griff um ihre Taille.
Löst die angestaute Bettwärme auf und atmet in ihren Nacken.
Heiß, gewaltig, gleichförmig.
Es ist riesig. Und es ist real.

Sie spürt es lechtzen und erstarrt bewegungslos mit geschlossenen Augen.
Das einzige, was sich lebendig anfühlt in ihrem Körper, ist eine überschäumende Welle aus Angst. Gewaltig wie das Monster hinter ihrem Rücken. Völliger Stillstand im Sein, ungebrüllter Schrei, Wahnsinn in den Gedanken. Nur dort tickert es, nur dort funktioniert noch etwas. Hektisch, ein Urinstinkt aus Panik und Flucht.

Doch alle Extremitäten bleiben festgenagelt auf der Matratze. Liegen versteinert verschmolzen im Tief. So unendlich tief, dass kein Ruf aus verschlungenem Grau, sie lösen kann.

Sie versucht den Wahnsinn zu domptieren. Kitzelt mit langer Peitsche an einem klaren Gedanken, der sich behäbig im Zirkusrund suhlt. Versucht es mit einem Befehl, der sich nur langsam durch gähnendes Grau treiben lässt.

Los! Bewege einen Arm.
Eine Hand wenigstens.
Eine Fingerspitze…

Zucke zumindest!
Nichts. Außer tiefer Bewegungslosigkeit.
Es atmet weiter in ihren Nacken und lacht leise aus grenzwerter Kehle.

Bewege. Deine. Hand!
Nichts. Nur Schrei. Innen schrill, berstend. Außen unhörbar.
Und Schwere, festgepresst in Abgrund.

Öffne die Augen.
Schau. Es. Dir. An.

Der eiserne Griff verstärkt sich zu einem Schraubstock. Will nicht loslassen, beherrscht alles.

Die Augen. Einen Spalt nur.
Einen klitzekleinen, winzigen Spalt.
..

Sie nehmen sich Millionen Jahre Zeit. Urzeiten an Menschengedenken vergehen, tropfen blutend durch die Sanduhr, fechten jahrtausende alte Kriege, treten Generationen in den Staub, zerschellen Schiffe an Felsen in Weltmeeren.
Die Ewigkeit ist hier.
In diesem Raum.
In diesem Bett.
In diesem Monster hinter ihrem Rücken.

Endlich. Die Synapsen lassen sich erweichen und knurren den Befehl unwirsch weiter. Schlagen die breiten Pratzen in ihr Fleisch und öffnen langsam ein Auge, öffnen eine Realität. Verschwommener Blick ins Zimmer. Es ist schon fast hell. Dort steht der Schrank, wie immer, wo er hingehört. Der Griff lockert sich unmerklich.

Es braucht noch weitere Hundert Jahre, bis das Fingerzucken nachkommt.
Bis sich die Hand bewegt, den Arm mit sich zieht. Schweißüberströmter Körper ins Jetzt zurückfindet.
Atmen. Den Druck vom Brustkorb atmen. Hecheln. Monster vertreiben ist wie Kinder bekommen. Anpassen, aufatmen, nachgeben. Nie dagegen kämpfen, immer nur dafür. Aufgeben. Siegen. Über was auch immer. Atmen.

Beim ersten Mal dachte sie noch, sie würde wahnsinnig werden.
Verrückt in einem bewegungslosen Körper, gestraft mit einem wachen Geist.
Kein Traum. Kein Alb. Trotz aller Fratzen.
Schlafparalyse. Welch harmloses Wort für den schlichten Wahnsinn zwischen Todes Bruder und der täglichen Rückkehr ins Ich. Wenn der Körper noch drüben hängt, im ich weiß nicht wo. Und der Kopf schon wach ist, aber noch nicht frei.

„Du kannst ja wirklich die verrücktesten Sachen“, sagte der Kerl einmal zu ihr.
„Aber das brauchst Du jetzt ja nicht mehr. Ich liege neben Dir und vertreibe das Ding“.

Dabei ist das noch viel größerer Horror, wenn Du weißt, da wäre einer. Und da liegt trotzdem etwas zwischen uns, zu groß für mich und Du kannst es nicht spüren, und ich nicht sagen, nicht schreien, nicht zucken. Das ist das Skurrilste, wenn ich neben Dir meinen Kampf durch die Jahrtausende fechte. Und Du es nicht merkst. Keiner kann es merken.

Sie hat sich arrangiert mit dem Monster.
Weiß darum, dass es selbst wählt, wann es eisern greift. Und dass ihr Fleisch ungeschunden bleibt am Morgen.

Es gilt nur den Geist zu verteidigen und die Angst vor der Angst zu vertreiben.
Sich anzupassen.
Das Monster wundert sich, wenn sie nicht versucht ihren Körper aufzuwecken.
Statt dessen ihren Geist freiwillig zurück ins Tief dirigiert. Nach drüben. Ins ich weiß nicht wo.
Immer wieder aufs Neue eine Mutfrage, manchmal gewonnen.

Dem Horror einfach entgegen gehen.
Diesem feigen Stück an Nichts, das sich auflöst, wenn Du es umarmen willst.

Candy Bukowski

3 Antworten auf “Das Monster im Rücken”

  1. mein persönlicher horror, manchmal kann man das monster sogar hier nachlesen. es wirkt nach, einmal gelesen und es ist am besten weg zu dir, in deine träume – direttissima. träume sind die phasen kurz vor dem aufwachen, sagt man. aber das sagen die, die ja wach sind. horror monster kommen am besten durch das lesen, oder hören, abgeschwächt durch bilder oder bewegte bilder. aber die schlimmsten sind jene monster die wirklich waren, jene die aus erfahrung in dir hängen, wie schläfer. ein paradox: du schläfst und hast einen schläfer in dir, der nur aufzuwachen braucht. hausmittelchen und tips? bücher, kilometer von büchern gibt es davon, nur was nutzen die, wenn du schläfst und dieses unbehagliche gefühl hast, im besten fall?
    ein winzig kleiner spalt zum licht, nein zu dämmerung, der dämmerung der welt wenn die sonne aufgeht und jener dämmerung wenn es menschen zu einer positiven erkenntnis schaffen, wird formuliert, tief in gedanken. ich versuch es immer wieder mantramäßig mir einzureden…“angst tötet den geist“ …

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