Eines Tages wirst Du vor mir stehen

Eines Tages wirst Du vor mir stehen,
stolz und liebevoll, stur und unverzeihlich,
wie Du es heute schon bist, mit Deinen wenigen, vielen Jahren.

Vielleicht sagst Du auch dann noch „Ach Mumelchen“ und streichst mir über die Wange, um mir eine Minute später die Rechnung aufzumachen, die wir alle eröffnet haben, um uns freizuatmen und frei zu schreien, von allem was besser gemeint und schlechter gemacht wurde, hineingestanzt und vollgeprägt von anderen Leben und Zielen und Mustern, die wir uns beständig weiter geben, ohne Sinn und Verstand.

Auch Du wirst die Rechnung eröffnen, die Dir zusteht und ich werde sie entgegennehmen und im besten Fall ersteinmal schweigen, anstatt zu korrigieren und schön zu reden oder zu erklären.

Weil ja niemals erklärbar ist, wie wenig reif und klug wir sind, wenn wir uns erwachsen glauben und einen kleinen Menschen tragen, während wir uns so oft selbst nicht tragen können. Und dass wir das allererste Versprechen, inständig gebetet in den ersten Minuten, in einen noch verschleierten, violettfarbenen Blick, – daß wir das nicht halten können und brechen, immer wieder, selbst in der Sekunde, in der wir es mit aller Macht erfüllen wollen – das ist menschlich.
Aber unerklärbar und nicht schön zu reden.

Eines Tages wirst Du vor mir stehen,
stolz und liebevoll, stur und unverzeihlich,
wie Du es heute schon bist, mit Deinen wenigen, vielen Jahren.
Und Du wirst wie heute alles ein wenig anders machen, als man es so macht, weil Du etwas in Dir trägst, das wilde Träume spinnt und widerspenstig ist und dabei zart und sehr verletzlich. Alles Schräge ist Dir lieber als gerade, jede Verrücktheit wert, Normalität zu sein.
Ein großes Pfund, ein Fels, ein Monument.
Ich hoffe so sehr, Du wirst es tragen können.
Und Dir Dein Glück daraus bauen, was immer Glück Dir werden mag.

Ich bin eine Eremitin. Ich könnte gut alleine leben.
Und lebe doch mit Dir, bewusst gewählt. Ich habe Dich mir gewünscht, ich habe Dich bekommen. Nur geliehen, für einige Jahre. Auch das lerne ich, über die Zeit.

Vielleicht bin ich nicht die Beste für Dich.
Aber eben die einzige mögliche, in diesem Leben.
Und ganz egal, wie oft ich scheitere, an mir, niemals an Dir,  – rede Dir nie etwas anderes ein – , meine Liebe ist so unsagbar groß, dass sie schmerzt.

Dich und mich, in jedem Disput, den wir auszufechten haben, weil wir uns Spiegel sind. Strahlende, wunderbare und angebrochene, mit verletzenden Splittern an den Ecken und Kanten. An denen lachen und kosen wir und schneiden uns Muster ins Herz. Im Versuch und der Aufgabe, aneinander zu wachsen und zu begreifen, ohne uns selbst und gegenseitig aufzugeben. Und doch eine gänzlich andere zu sein.

Du wirst durchs Leben gehen und wirst mich tragen müssen.
Wie ich Dich getragen habe, durch die Nächte und die Tage. Und das wird anders sein und dennoch gleich. Verzeih mir, wenn Du kannst, dann die Mitternacht, die eben auch besteht, zwischen sonnigen Bildern aus bunten Erinnerungen und mattem Schein.

Verzeih sie mir, damit Du Dir verzeihen kannst.
An allem was erlebt sein will, an Schönem und an Schwerem.
Das ist das Einzige und Wichtigste, was ich wirklich mitzugeben Dir vermag. Mit brennendem Herzen hinwünschend zu dem Tag, an dem es sich erschließt. Dem kleinen, großen, wundervollen Geist, der jetzt schon alles in sich trägt, und noch vieles tragen wird.

Doch ersteinmal wirst Du eines Tages vor mir stehen,
stolz und liebevoll, stur und unverzeihlich,
wie Du es heute schon bist, mit Deinen wenigen, vielen Jahren.

Sei sicher, ich werde Dich dafür lieben.
Auch wenn Du es möglicherweise nicht erkennen wirst.

Candy Bukowski

2 Antworten auf “Eines Tages wirst Du vor mir stehen”

  1. Ich sage meiner Tochter immer, dass sie bestimmte Dinge, die sie stören oder die „total ungerecht sind“ einfach aufschreiben soll. Ich freue mich schon darauf diese Aussagen mit ihr und ihren Kindern einmal später zu lesen. Dann muss sie entweder mir Recht geben oder ihren Kindern etwas durchgehen lassen, was sie eigentlich nicht will. ;)

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