Fragmente des Fragments I

Wochenlang hatte die Sonne gebrannt. Die Stadt in Höllentemperaturen gegrillt, bis sie durch war.
Jetzt fielen Sturzbäche vom Himmel, angekündigt von gewaltigem Grollen.
Jetzt ersoff der Boden. Selbst die, auf endlose Sicht, verlegten Betonplatten vor dem gewaltigen Gebäude. Die Menschen hatten sich überdacht in Sicherheit gebracht. Abwartend.
Sie läuft dennoch. Starr Schritt vor Schritt. Kleines Reisegepäck geschultert.
Manchmal ist nicht der Weg das Ziel. Manchmal ist das Ziel der Weg.

Bis auf die Haut durchnässt schließlich durch den Eingang. Zum Empfang.
Mehrmals auf die zu erwartenden Fragen, leer den Mund öffnend. Durchatmend.
Den schwersten Satz von allen sagen.
Ein Urteil sprechen.
Ein Nicken empfangen. Einen durchdringenden Blick. Ein Papierarmband.
Warten. Es wird jemand kommen.

Ein Gespräch führen. Ein Gespräch durchstehen. Nicht mehr schweigen dürfen.
Nicht das Falsche sagen. Das Falsche wäre unerträglich, in seiner Konsequenz.
Und es wäre falsch.

Es ist gut, dass sie gekommen sind. Wir können helfen. Es wird seine Zeit brauchen.
Nein, wir sperren sie nicht ein. Sie behalten die Entscheidungen.
Telefonate. Durchs Haus. Zitternde Hände. Im Schoss.

Kein Platz frei, dort, wo sie richtig wären.
In ein paar Tagen, wenn sie sich zutrauen, noch einmal nach Hause zu gehen.
Medikamentengestützt. Ich versorge sie mit Tavor.
Tavor ist bekannt, als depressionsauslösend bei unterschwellig Existentem?
Das steht im Beipackzettel, ja. Für uns bewährter Standard bei Neuaufnahmen.
Wie entscheiden sie sich? Was trauen sie sich zu?

Die Sonne brennt den Wolkenguss vom Boden. Grillt erneut die Stadt.
Sie ist durch. Sitzt für einen Moment auf einer Mauer vor dem Gebäude.
Kein Platz frei, dort, wo sie richtig wäre.
Die Menschen ameisen wieder.

Ein paar Tage noch. Nur ein paar Tage.

Candy Bukowski

7 Antworten auf “Fragmente des Fragments I”

  1. “Nicht das Falsche sagen”. Ja, das ist mir die Crux bisweilen mit diesen Kommentaren. Und wenn ich “Gefällt mir” sage, was meine ich damit?
    Ich sage nur, möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt, die Antwort fällt dann vielleicht passender aus. Jetzt, könnte es sein, wäre sie nur Fragment und morgen schon ein weiterer Kommentar zu einem ganz anderen Beitrag, der mir gefällt.
    Ihr Herr Hund. Zugetan.

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  2. Tavor statt Hilfe. Standard bei Neuaufnahmen. Mich gruselts beim Lesen. Dabei hat sie durch ihren Mut, ihr Eingeständnis solche Stärke bewiesen. So muß sich Aufbietung aller Kräfte anfühlen… und dann Tavor…

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