Himmel! Ich habe einen drei Jahre alten Text von mir gefunden, den ich längst vergessen hatte. Und den ich immer noch genau so unterschreiben kann. Unterschreiben muss. Was für ein Dilemma.
„Zu begreifen, dass es immer und ausschließlich um zwei Dinge gehen wird. Um das Scheitern und das Schreiben, mit Sinn oder ohne. Völlig dahingestellt. Das ist nicht wichtig, das darf gar nicht wichtig sein.
Scheitern und Schreiben. Die einzigen beiden Dinge, für die ich wirklich Talent mitbringe und die sich gegenseitig bedingen, wie Ying und Yang und Schwarz und Weiß, wie aufgeräumt und Chaosschublade, wie Kampf und Niederlage.
Ich bin nicht gemacht, für diese Welt, in der man seinen Job jahrzehntelang beständig ordentlich erledigt, ohne sich an ihm zu verleugnen. In der man an Steuererklärungen schnitzt und für Altersvorsorge sorgt und ein Leben versichert, das nicht zu versichern ist. Was ist das für ein unglaubliches Monstrum da draußen, an Zahlenwelt und Fristen und Geschichten, die es nicht wert sind erzählt zu werden, nicht einmal gesehen, schon gar nicht gelebt.
Zahlen. Mein Gott, was habe ich in meinem Leben an verhassten Zahlen jongliert und sie über weite Strecken gebracht, ohne jemals einen wirklich guten Schnitt damit unter den Lebens-Bon gesetzt zu bekommen. Was sind mir Zahlen in jeder Materialisierung zwischen den Fingern zerronnen. Was habe ich an Erfolg verklischt, verschenkt und verjagt, weil er so teuer erkauft und so billig gehandelt wird. Weil einfach nichts von dem, was draußen zählt, in mir selbst drinnen ist.
Ich könnte mich tot suchen, ich würde nichts finden.
Außer immer wieder Scheitern, nach üblichen Maßstäben.
Und Schreiben. Nach Unüblichen.
Immer wieder neu, über all die Jahrzehnte.
Ein Bild hochhalten. Ein geordnetes.
So lange, wie es irgendwie geht, wie es irgendwie zu halten und zu stemmen ist.
Und darunter langsam einbrechen, weil es sich nicht spricht. Nicht über ein Scheitern, das dem normalen Menschen auf ewig unverständlich bleibt, weil er so gänzlich anderes in sich trägt. Zahlen und Steuererklärungen und Altersvorsorge und Fristen. (Himmel, die Fristen!) . Notwendigkeitsbewusstsein. Sinn für Realitäten. Der Plural ist Absicht, es gibt so viele davon.
Zu viele für mich.
Und das ist nicht arrogant, das ist höchstens Flügelstrecken auf hohem Niveau.
Denn der liebe Gott hat Dir ja genug von allem mitgegeben, Candy.
Was Du davon stets verschleuderst, hättest Du doch gewinnbringend einsetzen können. Auf der Strecke zwischen hier und dort und dem Leben dazwischen.
So macht man das. So machen alle das.
So gehört das gemacht!
Dein Widerstand gegen die Realitäten, das ist doch Dein Windmühlenspiel.
Wer sich vor Notwendigkeiten windet, wendet sich in die Not.
Und Dein Trotz ist ja noch groß genug, um im Scheitern die Chance zu sehen.
Frei nach Beckett. Du unbelehrbares Stück. Anmaßend dazu.
Scheitern und Schreiben. Welch irrsinnige Mischung an Talentvergabe.
Aufrecht auf die Schnautze fallen und später das Näschen mit Textstaub pudern.
Bodenverlust vor dem Gefühlsarchiv, ewiges Geringe ums Wortebilden und Wortesein.
Gewürfel mit Gevatter Zeit ums Erinnern und Erhalten, und mit Schwester Sehnsucht und der ganzen Bagage an Wahlverwandschaft, die zum Familientreffen nicht erscheint, aber sich fortpflanzt mit jedem Erleben, jedem Suchen, jedem Finden, jedem Sein.
Und dann Abliefern. Vor mir selbst als einzige Instanz.
Und Abgeben, Freigeben, Freiwerden.
Auf ein Neues beginnen. Hier wie dort.“
Candy Bukowski
So wahr. So unglaublich wahr.
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Frau Bukowski, du bist eine unfassbare Zitatproduzentin… Da kann ich jetzt bald jeden Satz von Dir in Anführungszeichen packen und deinen Namen darunter schreiben… Oder auf einen Stempel drucken lassen, oder so….
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Spruchbänder und Hausbeflaggungen wären super ;)
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Hat dies auf Carolin M. Hafen rebloggt und kommentierte:
Mein Einstieg in die Welt der Candy Bukowski. Jetzt bin ich wirklich gespannt auf „Wir waren keine Helden“.
#Lovelybooks #Leserunde #Vorfreude
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Hat dies auf Der blog fuhriello macht das Fuhrwerk bekannt rebloggt und kommentierte:
irgendwie auch Generation Zaungäste nur anders geschrieben. Aber das mit den Mofas und den abgelegten Autos stimmt. Bis heute bekommt man als Bruder ein abgelegtes Auto von dem älteren und man muss als älterer stark sein, denn meist fährt es dann der Nachfolger kaputt, oder kriegt`s geklaut und erfährt das meistens als letzter, gelle?
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